Fabelhaft vergnügliches Sommertheater

Einen herrlich erfrischenden Sommerabend hat das Rottweiler Zimmertheater derzeit im Angebot: Erst lockt eine süffige Operette, dann die mit viel Schwung und Finesse in Szene gesetzte Molière-Komödie „Tartuffe oder Der Betrüger“.
Irren ist bekanntlich menschlich. Aber so auf dem Holzweg wie Orgon, der Familienvater im Moliére-Klassiker „Tartuffe“, der die Titelfigur geradezu anbetet, sind Leute selten unterwegs. Das jedenfalls könnte man meinen, wenn man hineingezogen wird in die 1664 uraufgeführte Komödie.

Aber nicht nur, weil die muntere Truppe des Zimmertheaters eine frische, unverstaubte Übertragung des französischen Textes präsentiert, merkt man rasch: Da wird nicht Stoff von vor 361 Jahren verhandelt. Da geht es um Daueraktuelles: Heuchelei, Verführbarkeit, Sehnsucht nach einem Idol und etliches mehr – Influencer und Machertypen mit und ohne schrille Frisur lassen grüßen.
Das alles kann man im Subtext mitdenken. Oder auch nicht. Und sich so oder so einfach mitreißen lassen von der von Peter Staatsmann lebendig und farbenreich auf die Bühne gebrachten Inszenierung. Sie ist in der Interaktion, in Ausstattung, Kostümen und vor allem der Spielfreude der Akteurinnen und Akteure rundum eine Freude.

Da wäre etwa Mailin Klinger, die in einer Doppelbesetzung als Mutter Orgons die dominante Matriarchin gibt – nur um gleich danach auch dem naiven Töchterchen Mariane mit trockenem Humor Präsenz zu verleihen. Kontrastreich agiert auch Flo Sohn, wenn er mit juvenilem Elan den mit Mariane liierten Valère liebestrunken herumschlaksen lässt und anschließend als höflicher Gerichtsvollzieher entwaffnet.
Thomas Giegerich macht als aufgescheuchter Orgon-Sohn Damis deutlich, wie sehr dieser um sein Erbe bangt. Und Mario Schnell fasziniert als halb rätselhafter, halb abstruser Menschen-Magnetisierer Tarftuffe.

Zu einem besonderen Kraft-Trio entwickeln sich Bagdasar Khachikyan, Hannah Maria Humpert und Ulrich Kuhlmann: Khachikyan als blitzschlauer Hausangestellter Abdelkarim, der mit feinem Humor die Blödheiten andere austariert. Humpert, die subtil und elegant Orgons Gattin Elmire verkörpert. Und schließlich Kuhlmann, der nicht nur enorm texterhellend spricht, sondern im Tartuffe-Rausch schier über die Bühne schwebt und so verdeutlicht, wie Gefolgschaft das Gehirn ausknipst.

Meist sehr passend, manchmal ein wenig zu stark, flicht sich die Musik von Dorin Grama und Nicholas Charviani in den charmanten Abend ein. Alles in allem: Während in der realen Welt derzeit mit teils lausigem Personal Possen, Dramen und Tragödien aufgeführt werden, bekommt man im Bockshof noch bis 3. August fabelhaft vergnügliches Sommertheater geboten.
Info: Die Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will“ von Oscar Straus und Alfred Grünwald wird immer im 18 Uhr aufgeführt, „Tartuffe oder Der Betrüger“ um 20 Uhr. Karten unter 0741-8990.